Re: Adam, Eva und andere Nackte im Mythos


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Geschrieben von Peter Pan II am 22. Mai 2000 19:39:22:

Als Antwort auf: Adam, Eva und andere Nackte im Mythos geschrieben von Ulrich am 22. Mai 2000 13:10:48:

Hallo Ulrich,

>Gibt es im Mahabharata auch Mythen um Nacktheit?

Zunächst einmal, ich habe mich recht intensiv mit dem Hinduismus beschäftigt, und das hatte damit zu tun, dass ich dachte, in einer Religion, in der es mehr Götter als Menschen gibt, sollte doch auch einer für mich dabei sein. Als ich jedoch, nach langer Suche über viele Jahren hinweg, eines Tages erkannte, dass für einen Menschen meiner Bauart auch im Hinduismus kein Gott, Trost, Beistand oder Vorbild zu finden ist, war ich derart enttäuscht, soviele Jahre meines Lebens mit einer Religion verschwendet zu haben, deren Ideen, Theorien und Legenden über weite, weite Strecken eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen sind, dass ich fast alles an Literatur zum Hinduismus in einem Wutanfall fortgeworfen habe. Ich weiss, das sollte man nicht tun, heute tut es mir auch leid, denn natürlich ist viel Wahres und Schönes im Hinduismus - nur finde das erst einmal, wenn du dich vorher durch kilometerdicke Lagen von komplett verwirrtem Schrott kämpfen musst (hoffentlich fühlt sich nun kein Hindu beleidigt, liegt nicht in meiner Absicht - jedoch ist die Gefahr relativ gering, denn Hindus sind, dazu zwingt sie ihre eigene unendlich komplexe und widersprüchliche Lehre unweigerlich zu, insgesamt sehr tolerante Menschen; nur nicht in Sachen Sex, da sind die Inder eine außerordentlich gnadenlose Volksgruppe, und das gilt für Normalos wie auch für sonstwen. FKK ist strafbar, Homosexualität auch, und Indien ist eines der verklemmtesten Länder der Erde).

Da ich jedoch, wie gesagt, das meiste an Literatur zum Hinduismus fortgeworfen habe, kann ich mich nur auf mein Gedächtnis verlassen, was das leider vom Wegwurf mitbetroffene Mahabharata angeht.

Ich fasse das Mahabharata, welches aus ungefähr 1,2 Mio Zeilen Versen besteht, mal eben in drei Sätze zusammen:

Zwei verfeindete Königreiche führen einen entsetzlichen Krieg. Eine Inkarnation des Göttlichen, nämlich Krishna, erscheint auf der Erde und entscheidet sich, einer der beiden kriegführenden Parteien zu helfen. Diese Partei gewinnt.

Kein Witz, that's the whole story, du merkst vielleicht, was ich vorhin meinte mit den kilometerdicken Lagen von verwirrtem Schrott, denn so läuft das ab im Hinduismus, die Legenden / Gleichnisse / Geschichten werden mit so unendlich dermaßen viel Zeug drum herum ausgeschmückt, dass es echt ein Problem ist, die Kernaussagen überhaupt zu erkennen, und wenn man sie endlich erkannt hat, fragt man sich verwundert, warum da so ein Riesengeschiss drumgemacht wurde.

Wie immer, in den Ausschmückungen des Mahabharatas werden nun alle möglichen Weisheiten und Handlungsanweisungen für den gläubigen Hindu verkündet, und daraus bezieht er sein Weltbild bzw. seine Moral.

Leider kann ich mich an konkrete Beispiele für Verdammung von Nacktheit oder Sexualität im Mahabharata nicht erinnern, denn die inneren Widersprüche im Hinduismus sind so gewaltig, dass alles, was du liest, irgendwann in einem Rauschen unterzugehen beginnt, und das macht es so schwierig, sich an Details zu erinnern.

Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, wie es möglich ist, dass ein Volk, welches Tantra (spiritueller Sex, bei dem der Orgasmus die Erkenntnis des Göttlichen ist), die dem Ficken geweihten Tempfel von Khujarao (riesige Anlage, ausgeschmückt mit unendlich vielen sexuellen Darstellungen von wirklich *jeder*, absolut *jeder* sexuell überhaupt denkbaren Variante zwischen *allen* Menschen, peinliche Sache für westliche Besucher ist das) oder aus grauer, uralter Vorzeit Legenden um alte, unendlich weise Wald-Rishis, die tage- und jahrelang mit ihren Frauen für die Zeugung eines ihrer hunderten von Kinder an einem einzigen Orgasmus herumbasteln, aufweist; wie also dieses Volk, welches solches zu seinem Kulturerbe zählt, in der Praxis des heute vorliegenden gesellschaftlichen Lebens eine Verdammung der Sexualität entwickeln konnte, die dermaßen brutal ist, dass die Christen im Vergleich aussehen wie Sexualtherapeuten. Ich habe zwei verschiedene, für mich gleichermaßen plausible Erklärungen entwickelt für dieses Phänomen, und die gehen so:

Variante a) Die Engländer haben, als sie um 1700 das Land eroberten, ihren damals noch vollkommenen Puritanismus den Hindus aufgedrückt, und die Hindus sind drauf reingefallen, weil die Engländer damals ja die stärkeren und die Gewinner waren.

Variante b) Ich zitiere dazu ganz kurz aus Mahatma Gandhis Biographie: "Solange ich der Sklave meiner Wollust war, taugte meine Treue nichts". Dies liefert den Schlüssel zum Verständnis meines zweiten Erklärungsversuches, irgendein Guru hat irgendwann in der Geschichte der Hindus mit angsterzeugendem und machtgewinnendem Erfolg seinen Jüngern eingeredet, Sex sei eine Versklavung und ihre sprituelle Befreiung bedürfe des Sieges über den Sex; und obwohl man das genauso für Essen, Trinken, Schlafen, Pissen, Kacken sagen könnte und das doch folglich überhaupt kein Argument ist, sind die Jünger des Gurus darauf hereingefallen; anderes arbeitsscheues Gurugesindel hat sich dieses Rezept abgeschaut und ebenfalls mit Erfolg angewandt. Bis heute arbeiten die meisten indischen Gurus mit dieser Versklavungsmethode, dass die Spermasosse des Mannes ja heilig und die Urkraft des Universums wäre, und man sie deshalb für sich behalten müsste (wozu mir nur einfällt, dass ein Orgasmus und das Spermaspritzen wirklich klasse Gefühle sind und natürlich auch ein lebensspendendes Feuer in sich tragen, aber im Vergleich zur das Universum schöpfenden Kraft? Oh Gott). Nur dieser Osho, besser bekannt als Bhagwan Shri Rajneesh (der mit den vielen Rolls Roycen), hat diese Unterdrückungsmethode nicht angewandt (jedoch in meinen Augen war das auch ein Idiot, der das was ihm gegeben war, nur völlig egoistisch für sich und seine Rollse benutzt, anstatt mal ein paar hungernde indische Kids zu füttern, nur dass das ganz klar ist), sein (Oshos) Erfolgsrezept war, dass er die alte Tradition des oben erwähnten Tantras auf die vom Christentum unterdrückten erstaunten Westler anwandte, denen das riesig Spaß gemacht hat, mal so richtig schön bis zur Exstase im Namen der göttlichen Erkenntnis gruppensexficken zu können. Da ich jetzt ein bißchen abgeschweift bin, noch einmal kurz zusammengefasst: Variante b) funktioniert nach dem Motto, dass man um frei zu sein, die Versklavung durch Sex ablegen muss - wobei meiner Ansicht nach der Welt sehr gedient wäre, wenn solche Leute, die mit solchen Methoden anderen das Geld aus der Tasche ziehen, erst einmal bei sich selbst die Versklavung durch Essen und Trinken ablegen.

Um nun weiter zur Tabuisierung öffentlicher Nacktheit zu gelangen, das ist etwas einfacher, und es ist dafür auch gleichgültig, welche der beiden vorangegangenen Theorien nun richtig ist, oder ob etwas ganz anderes für die totale Tabuisierung des indischen Sexuallebens verantwortlich ist: Diese Sexualtabuisierung in Indien ist so grausam und unmenschlich, dass die sich das gar nicht leisten können, nackt herumzulaufen, die Männer wären nämlich ständig erigiert und würden alles vergewaltigen, was ihnen vor die Flinte käme.

Indien wäre jedoch nicht Indien, wenn es nicht auch den starken Kult um den Lingam (Symbol für den Penis) und daraus abgeleitet eine ganz eigenartige Sekte gäbe: Lauter Männer, die ihr gesamtes Leben völlig nackt verbringen und die die nackte männliche Körperform als Manifestation des Göttlichen verehren. Mitglieder dieser Sekte, deren Namen mir entfallen ist, leben die meiste Zeit sehr abgeschieden in einsamen Tempeln zusammen, laufen aber bei heiligen Festen in ganz Indien auf diesen völlig ungeniert nackt herum, und selbst wenn sie bei diesen Gelegenheiten öffentlich vor hunderten Menschen erigieren, nimmt keiner Anstoß. Tja, das ist Indien.

Ein seltsames und widersprüchliches Land, aber so schön. Was mir am besten am Hinduismus gefällt, ist das Fehlen jeglicher alleinseligmachender Autorität in Glaubensfragen (etwas zum Papst vergleichbares gibt es einfach nicht), da kämpft jeder für sich den eigenen Kampf, um seinen Glauben anerkannt zu erhalten. Wie das funktioniert, erzähle ich noch ganz kurz, bin gleich fertig, mit einer illustrierenden Geschichte, die ich selbst vor Ort recherchiert habe und für die ich zeugen kann:

Ein sehr früh der göttlichen Exstase verfallener Knabe ging, für immer, in ein sehr reiches, grosses Kloster, wurde alsbald der Lieblingsschüler des dortigen Chefgurus und von ihm als sein Nachfolger erwählt, das missfiel jedoch einem anderen Mönch dort, der vergiftete den Chefguru, machte sich selbst zu diesem und strengte eine Intrige an, um den inzwischen zum jungen Mann gereiften Knaben aus dem Kloster zu verjagen, weil das der einzige war, der ihm möglicherweise gefährlich werden hätte können (man konnte es nicht beweisen, dass der Chefguru vergiftet worden war). Der, um den es hier geht, sagte Inshallah (Möge Gottes Wille geschehen) und ging fort, setzte sich unter einen Baum und beschloss, dort sitzen zu bleiben und Gott zu überlassen, was nun weiter geschehen solle. Nach einiger Zeit wurden die Menschen des dortigen Dorfes auf ihn aufmerksam, und weil Inder sehr viel Verständnis für jeden im Anblick Gottes Entrückten besitzen, begannen sie ihn zu füttern und zu tränken. Er, im Gegenzug, hörte sich ihre Geschichten+Probleme an und versuchte, ihnen so gut zu helfen, wie er dies aus seinem begrenzten Verständnis eines mit religiösen Texten hinter Klostermauern Großgezogenen eben konnte. Dann, nach ein paar Jahren unter dem Baum, in immer diesem gleichen Trott, starb in einem Tempel des Dorfes der dortige Priester, die Menschen baten den verjagten Tempelerben, den Platz dieses Priesters einzunehmen, und nachdem er in sich gegangen war, dachte er auch, dass das eine gute Idee sei und tat das also. Tja, und in diesem Tempel gab er forthin den Priester und vollzog die Riten und Messen, ansonsten ging das genauso weiter wie unter dem Baum, er hat den Tempel *nie* mehr verlassen, immer angewiesen darauf, dass das, was er den Menschen an Glauben, Zuversicht und Hoffnung geben konnte, für diese Anlass genug sein würde, ihn zu nähren. Und dann ist er, nach vielen Jahren, gestorben, wie das bei Menschen eben so ist, und das war's.

Liebe Grüße,

BL Peter Pan II





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